WV-Nr: 1988-04
"Turm" 1988 200 x 75 cm, Acryl auf Leinwand Sammlung Horst Bülow, Stuttgart (erworben 1988)
 WV-Nr: 1983-02
"Le Serpent Eternel", Paris 1983 150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand
WV-Nr: 1988-02
"Monica geht baden" 1988 125 x 100 cm, Acryl auf Leinwand
 WV-Nr: 1988-03
"Insel im Sturm" 1988 150 x 200 cm, Acryl auf Leinwand Sammlung Horst Bülow, Stuttgart (erworben 1988)
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TEXT-ARCHIV
Annette Pfaff-Stöhr
Vernissagevortrag zu den Bildern von Reinhard Fritz Eisernes Haus, Schloss Nymphenburg, München, 15.9.1988 Auszug aus dem Vortrag zur Ausstellung. Die Textpassagen zum Bildhauer Heinz Pistol sind hier weggelassen.
Meine Damen und Herren,
Kunst und Leben bedingen einander. Die heute hier gezeigten Werke sind Teil eines künstlerischen Prozesses, sind Teil eines Lebensprozesses, und dokumentieren die Arbeitsphasen der Jahre 1980 - 1988 des Künstlers Reinhard Fritz.
Seine großformatigen Leinwandbilder leben in ihrer Gesamtform und farbigen Erscheinung aus der Fernwirkung und durch die kleinteiligen Elemente aus der Nahsicht. Bei Fritz sind Urformen der Natur und Formen unseres Kulturgutes zusammen mit einer immensen Farbigkeit aller Anfang seines künstlerischen Schaffens. Fritz gehört zu den Künstlern, die mittels Farbe und Form denken.
Ein Bild ist bei ihm, bevor es einen Inhalt hat, vor allen Dingen eine Fläche, die mit Formen und Farben in einer bestimmten Ordnung gestaltet wird. Sein künstlerisches Mittel ist der tiefe farbig leuchtende Bildgrund, den er aus mehreren durchsichtigen Acrylfarbschichten aufbaut und aus dem er bildgestaltende Zeichen in einer bestimmten Formgebung weiß ausspart. Einzelne können auch farbig sein und setzen so Akzente.
Einmal sind es die großen, bildbestimmenden Zeichen wie ganz am Beginn die große einzelne Feder, später Schlange, Frosch und Turm, um nur einige von vielen zu nennen. Wobei "Turm" eines der letzten Bilder dieses Sommers ist und von der neuen Stelen- und Obeliskenform des spitzen, hohen Dreiecks bestimmt wird. Dann die großen, alten Symbolformen für Bewegung, Dauer, Unendlichkeit. Das Kreisen um ein Zentrum und aus einem solchen heraus, einem Feuerwerk, einem Feuer- und Sonnenrad vergleichbar. Auch die Spiralform der ewigen Schlange, Labyrinthartiges. Und schließlich werden aus diesen strömenden, kreisenden Formationen der vielen, kleinen Elemente die Inselbilder ab 1986, es werden die flachen Scheiben, auf denen uns Landschaft wie auf einer runden Tischplatte mit Aufsicht angeboten wird. Daneben gibt es einen ebenso gewichtigen Teil an Bildern, in dem Fritz die Leinwand mit seinen zeichen- und Symbolformen flächig wie einen Teppich manchmal auch wie mit einem erdachten Ornament übersät.
Das geschieht durch rhytmische Addition und Anordnung der Zeichen, die in Diagonalrichtung über die gesamte Bildfläche gestreut sein können, auch in Akkorden und fließenden, schwingenden Bewegungen.
So füllen zuerst Feder- und Blattformen ganze Leinwände, hinzukommen dann Libellenflügel, Nachtfalter, allerlei Getier und das vielfältigste Wachstum aus der Erde. Seit 1987 und 1988 gibt es dieses Vorgehen wieder verstärkt, aus dem Motiv der Landschaft bedingt.
"Rote Landschaft" heißt ein mittleres Hochformat, es gibt eine blaue, und eine grüne ist "Monica geht baden" betitelt. Andere heißen "Buchlandschaft, Trapez, Geister der Mittagsstunde, Dreisprung".
Auch hier sind kleinteilige Fundstücke über die Bildfläche mit Tiefenwirkeung zum oberen Bildrand hin gestreut, werden Schatten, assoziieren durch Räumlichkeit Landschaft.
Der Künstler hat seine Arbeit vollbracht, präsentiert uns seine Werke in diesen schönen Räumen, nun ist der Betrachter aufgerufen. Wie könnte nun, meine Damen und Herren, eine Rezeption erfolgen?
"Der Mensch trägt die ganze Vergangenheit der Menschheit in sich und zugleich ist er zugeordnet auf die Zukunft" sagt Herbert Kühn in seiner Vorgeschichte der Menschheit 1966.
Sie würden sofort, meine Damen und Herren, die Eigenständigkeit und das Arbeiten aus der Gegenwart heraus und dann auch das Allgemeingültige in wahrsten Sinne des Wortes begreifen, erkennen und verstehen.
Ich könnte das Werk von Reinhard Fritz den Höhlenzeichnungen, den alten Bildteppichen gegenüberstellen. Könnte zu Ihnen von der Malerei der Fauvisten sprechen, die zu Beginn des 20. Jhs. ganz unter dem Zeichen des Aufbruchs in die Form und Farbe stand.
Hier würde ich Matisse und die dekorativen, ornamentalen Elemente seiner Malerei anführen. Ich würde auch Julius Bissier zitieren, mit seinen "dem fernen Osten verpflichteten" Tuschen und den Eitemperabildern mit den symbolträchtigen Zeichen. Sie würden auch hier sehen, dass Reinhard Fritz ganz freie, heute gültige Formulierungen gelungen sind.
Und nun zur eigentlichen Rezeption. Es wird klar, dass es sich um erdachte, gebaute, konstruktive Werke handelt, die ihre ganz eigenen, immer wiederkehrenden Ordnungen und Gesetze haben. Das schließt nicht aus, dass sie intuitiv dem Unterbewußsein erwachsen, den Begabungen, allem Gesehenen, Erfahrenen. Ganz sicher können sie nichts zufällig Gefundenes, zufällig Erfundenes sein. Wer findet, muss bestimmtes suchen. Gemeint ist hier das Gestaltungsprinzip. Sichtbar wird auch, dass jedes einzelne Werk eingebunden ist in den eigenen Schaffensprozess.
Die Phantasie von Reinhard Fritz entzündet sich immer am Material, am Objekt, am Medium, der Botschaft, der Aussage, die es zu machen gilt.
Von Mimesis, der Nachahmung der Wirklichkeit, kann keine Rede sein. Vielmehr von Umsetzung der erlebten Wirklichkeit in Symbol- und Zeichenhaftes. Bei einer Offenheit, die dem Betrachter Freiheiten einräumt für Assoziationen, für seinen Bewußtseinsstrom. Er kann sich einbringen in das Werk und sich selbst finden.
Dabei nehmen wir Einblick und haben Teil an des Malers Lebensprozess, denn die Werke sind Aussagen zu seinen visuellen Erlebnissen, seiner Lebenserfahrung, seines Seelenlebens und sind zugleich seine Bilder aus dem Unterbewußtsein. Bei Reinhard Fritz sind es Symbole und Sinnbilder für Daseinsfreude und Leben, Wachstum, Verfall, Ordnung, Unruhe, Bewegung, Irritation, Freude, Trauer und Unendlichkeit, wenn man die Eigenschaften, die diese Werke haben, einmal mit Begriffen belegen wollte.
Öffnen Sie sich, meine Damen und Herren, diesen Werken, und lassen Sie mich mit dem schliessen, was Walter Koschatzky so treffend zur Kunst allgemein einmal gesagt hat: "Sie ist eigentlich der Prozess einer Beziehung". Kunst also ist kein statisches Produkt, das an der Wand hängt oder im Raum steht, sondern Kunst ist ein Vorgang des Wahrnehmens, Aufnehmens, Erlebens, etwas, das sich in einem Betrachter vollzieht."
Ich danke Ihnen.
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WV-Nr: 1983-06
"Eidechse", Paris 1983 200 x 75 cm, Acryl auf Leinwand
WV-Nr: 1988-06
"Landschaft mit Turm" 1988 90 x 90 cm, Acryl auf Leinwand
WV-Nr: 1988-08
"Stunde des Pan" 1988 125 x 100 cm, Acryl auf Leinwand
WV-Nr: 1988-07
"Dreisprung" 1988 90 x 50 cm, Acryl auf Leinwand
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