Horst Ludwig: "Reinhard Fritz
Bilder u. Aquarelle 1975-92"
Städtische Galerie Tuttlingen

Katalog / 96 Seiten, 22,5 cm x 24,5 cm
Tuttlingen 1992 (ISBN 3-9801601-5-7)
TEXT-ARCHIV

Vorwort von Albrecht Werwigk

Galerie der Stadt Tuttlingen / Mai 1992

Die Feststellung der Väter der Moderne, dass bildende Kunst nicht das Sichtbare wiedergibt, sondern sichtbar macht – parallel zur Natur – gehört zum Gemeingut im Selbstverständnis der Kunst unseres zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts. In der bewußt konzipierten Aktion, die unsere Lebensparameter beleuchtet und auf die Sinnfrage anspielt, hat sie ebenso ihre Formen gefunden, wie im Ausdruck des passiv empfundenen innerweltlichen Lebensgefühls. Oft sind diese Ebenen voneinander getrennt, und nicht alle Künstler vereinigen beides.

Reinhard Fritz hat sich in seiner künstlerischen Entwicklung in solche Polarität nie treiben lassen. In seinem Werk verbindet er bewußte und konsequent klare Entscheidungen der Bildanlage mit feinsten Stimmungen des Farbraums, den Schwingungen der Valeurs und Lasuren auf der Fläche. Er kommt zu höchst poetischen Formulierungen, die die Lebensspannung unserer Zeit bildhaft widerspiegeln. In seiner Bildwelt hat er deutliche Zeichen gesetzt und ein vollkommen eigenständiges Oeuvre geschaffen.

Reinhard Fritz´ Bilder überzeugen, indem sie von einfachen Dingen der gegenständlichen Welt ausgehen. Entwicklungen der lebenden Materie, verschiedene Organisationsformen der Tier– und Pflanzenwelt – Insekten, Blüten, Fische und naderes mehr - breitet er aus in einer Fläche, deren farblicher und stofflicher Sphä sie zugehörig scheinen. Geradeso sind menschliche Artefakte, Konstruktionen seiner technisch funktionalen Evolution einbezogen - Häuser, Türme, Schiffe, ein Kreis, ein Kreuz, ein Quader oder ähnliches weisen als Spuren auf den Menschen, der sich in dem selben Kosmos wie Pflanze, Tier und Mineral bewegt. All diese Dinge sind eingebettet in ein Gewebe aus dünnen, meist reinfarbigen Lasuren, die sich vielfältig brechen, kontinuierlich wiederkehrende Farbklänge entwickeln und in ihrem transparenten Schimmern und Fließen das immaterielle Licht in den Bildgrund aufnehmen oder hervorscheinen lassen. Die Farbe ist dabei höchst konkret eingesetzt. Sie meint nichts anderes als das, was sie ist: Pigmentiertes Material. Sie weist in ihrer subtilen, stofflichen Verdichtungaber zur Vorstellung bestimmter Aggregatszustände der die Biosphäre bildenden Materie. An Wasser, Luft, Bodenpartikel weiter Sandflächen oder der Laubstreu des Waldes fühlt man erinnert. Die Assoziation von stofflicher Substanz bleibt dabei immer als Imagination bewußt, weil die ins Bild gesetzten Dinge in der Abstarktion des Immateriellen gezeigt sind: als flächiges zeichenhaftes Kürzel oder als freigelassene Leerstelle auf dem monochromen, meist weißen Bildträger. Die Wesenhaftigkeit und materielle Existenz der Dinge ist offengelassen, der Gegenstand ist in seiner Idee angesprochen. Die Standpunkte sind zusammengerückt. Das Große wird klein, das Kleine groß. Die Perspektiven sind relativiert.

Metaphern des Lebens auf dem Grund der Farbe hat Felicitas Frischmuth dies genannt. Heiterkeit und Ernst sprechen aus der Konfrontation der Leichtigkeit des umgebenden Milieus und der Bodenlosigkeit der aktiv erscheinenden, reinen Negativform.

Reinhard Fritz zeigt eine Weltsicht unserer Tage, in der die Relativität von Materiellem und Ideellem in ihrer Verschänkung fühlbar und bewußt geworden ist.

In seiner Zuwendung zur feinstofflichen Struktur, in seiner Konzentration auf die ungekünstelte, unwandelbare Form und in seiner Fähigkeit, ohne Aufdringlichkeit und Pathos so alte, archetypische und symbolträchtige Dinge, wie Wasser, Land, Boote, Fische – um nur weniges zu nennen – neu sprechen zu lassen, gibt Reinhard Fritz Zeugnis von seiner Lebensbejahung und Aufmerksamkeit für die vielschichtigen Urgründe und Geheimnisse des Seins. Die Klarheit seiner Bildsprache, die bereits im Naiven verständlichen Darstellungsmittel, die ohne vorausgehende Erklärungen auskommen, zeigen die hohe Fähigkeit des Reinhard Fritz und die Bedeutung seiner Kunst.

Das Werk von Reinhard Fritz in seiner Entwicklung von den Anfängen bis heute in einer Einzelausstellung vorzustellen ist für die Stadt Tuttlingen, die der hier großgewordene Künstler auch bei seinen Auswärtsaufenthalten nie gänzlich verlassen hat, eine bedeutungsvolle und bereichernde Aufgabe.

Mit der Edition dieses Ausstellungskataloges soll seiner Lebensleistung Anerkennung gezollt und Beachtung geschenkt werden und der Versuch unternommen sein, die in der Ausstellung neu zusammengestellte Übersichtüber sein Werk auch für die künftige Zeit in einer handhabbaren Form festzuhalten.

Dem Künstler fühle ich mich verbunden durch die partnerschaftliche Kooperation bei der Vorbereitung von Ausstellung und Katalog. Mein herzlicher Dank gilt dem Autor der Textbeiträge, Herrn Dr. Horst Ludwig, München, der sich nicht allein auf eine textliche Beschreibung beschränkt, sondern ein Gespräch mit dem Künstler aufgezeichnet hat, das ihm als gesicherte Quelle dienen konnte.

Die Ausstellung wäre sicher nicht in diesem Rahmen zustandegekommen, wenn nicht die Bereitschaft zur Unterstützung von privater Seite, von Spendern und Leihgebern zu finden gewesen wäre. Besonders zu danken ist den Tuttlinger Firmen Aesculap, Kreissperkasse Tuttlingen, Karl Storz und Chiron-Werke.

Dank sei auch dem Land Baden-Württemberg gesagt, das durch den Zuschuss zu den Druckkosten aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, zur Herausgabe dieses Katalogs maßgeblich beigetragen hat.

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